KREDITSTUDIE: PANDEMIE BRACHTE DIGITALISIERUNGSSCHUB, DOCH ZAHLREICHE BAUSTELLEN BLEIBEN

28. September 2022

(Frankfurt). Capco, eine der führenden Management- und Technologieberatungen mit Fokus auf die Finanzdienstleistungsbranche, hat kürzlich ihre dritte Analyse zum Stand der Digitalisierung im Kreditgeschäft veröffentlicht. Bereits 2018 und 2020 untersuchten die Berater die Bankenlandschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz und führten zudem eine Kundenbefragung durch. Zwar konnten viele Institute ihr Kundenerlebnis in den letzten beiden Jahren verbessern, im Bereich der Automatisierung bleiben Potentiale jedoch weiter zu häufig ungenutzt.

Die Kreditexperten von Capco untersuchten den Stand der Digitalisierung sowie Problembereiche in fünf Kategorien. So fragte man Erfahrungen und Einschätzungen aus den Bereichen Kundenerlebnis, Angebot, Wertschöpfungskette, Technologie sowie erstmalig zum Bereich Bau- und Immobilienfinanzierung ab. Entscheidende Kriterien für Bankkunden sind weiterhin Schnelligkeit, Transparenz und Preis, allerdings sind deutliche Verschiebungen bei der Beratungspräferenz feststellbar: Persönliche Beratung beim Kredit genießt weiterhin hohen Stellenwert, doch muss das Beratungsgespräch nicht mehr explizit in der Filiale erfolgen. 81 % der Kunden wünschen sich eine Video-Beratung, lediglich 47 % wünschen sich eine Beratungsmöglichkeit vor Ort in der Filiale.
Dem Wunsch nach einem ausgereiften Digitalerlebnis können nun deutlich mehr Institute nachkommen. Während 2020 nur rund ein Drittel der Banken Onlineantragsstrecken anbieten konnten, sind es mittlerweile fast zwei Drittel der Geldhäuser. Nachholbedarf besteht beim Omnichannel-Management: Nicht einmal jede dritte Bank bietet eine Omnichannel-fähige Antragsstrecke im Kreditgeschäft.

Nachhaltigkeitstrend gewinnt auch im Kreditgeschäft an Bedeutung

Wie für die gesamte Finanzindustrie gewinnt auch im Kreditgeschäft der Aspekt Nachhaltigkeit stetig an Bedeutung. Dies zeichnet sich in der großen Beliebtheit nachhaltiger Kredite ab, für die circa jede fünfte Bank in den letzten zwölf Monaten einen Neuproduktprozess angestoßen hat. Zudem bietet bereits mehr als jede zehnte Bank nachhaltige Kredite bis zum Abschluss digital an. Das deutlich angezogene Kundeninteresse dürfte den Bereich zu einem Wachstumstreiber in den kommenden Jahren machen.
An Schwung verloren hat jedoch der Trend zu Kooperationen mit Fintechs. Verglichen mit den Ergebnissen der Befragung aus dem Jahr 2020 sind etwas weniger Banken Partnerschaften mit Fintechs zur Erweiterung ihres Produktangebots im Kreditgeschäft eingegangen.

Digitalisierungsdefizite entlang der Wertschöpfungskette hemmen Effizienz

Weil modulare Prozessstraßen fehlen, steigt die Komplexität in den Wertschöpfungsprozessen. Dadurch bleiben Arbeitsaufwände wie auch Kosten in der Prozessabwicklung hoch. Nur rund die Hälfte der befragten Banken nutzt modular aufgebaute Prozessstraßen zur Optimierung ihrer Kreditbearbeitung. Trotz eines Anstiegs von 14 % (verglichen mit der Befragung 2020) sind nur 43 % der befragten Banken der Ansicht, dass ihre Kreditprozesse bereits ausreichend digitalisiert sind. Primär digitalisiert wurden im Privat- und Firmenkundengeschäft bereits die Datenerfassung, die Kreditentscheidung sowie die Vertragserstellung. Im Vergleich zu anderen Teilprozessen ist die Bestandsbetreuung relativ selten digitalisiert, der vorhandene Datenschatz wird kaum genutzt. Auch die automatisierte Generierung von Dokumenten aus Workflowsystemen ist noch kein Standard. Nur etwa zwei Drittel der befragten Banken geben an, relevante Dokumente direkt aus dem Workflowsystem zu erzeugen und anschließend in einer digitalen Akte abzulegen.

Nur 39 % der befragten Banken, die moderne Technologien einsetzen, nutzen Robotic Process Automation, um repetitive und manuelle Aufgaben in Prozessen zu automatisieren. Im Vergleich mit 2020 ist dieser Wert lediglich stabil. Nur ein Viertel der Kreditinstitute setzt auf API/Open Banking. Lösungen aus dem Bereich Advanced Analytics und Machine Learning werden von ca. 20 % der untersuchten Banken genutzt.

Immobilienkreditgeschäft lässt Potentiale ungenutzt

Banken erkennen auch die Digitalisierungs- und Sparpotenziale in der Bau- und Immobilienfinanzierung: Fast alle befragten Geldhäuser bieten ihren Kunden die Möglichkeit, Dokumente digital einzureichen. Lediglich 14 % bieten das nicht an. Jede zweite Bank hat die Vision, Baufinanzierungen vollkommen digital abzubilden. Gerade in komplexeren Teilprozessen bleiben Potentiale zur Reduzierung der Hauptkostentreiber aber zu häufig ungenutzt. Überraschend ist etwa, dass lediglich die Hälfte der befragten Banken die Immobilienbewertung durch den Rückgriff auf automatisierte Bewertungsmodelle vornimmt. Gar nur jedes fünfte Institut wertet Grundbuchinformationen automatisiert aus. Insbesondere im Bereich der Immobilienfinanzierung, wo der Faktor Schnelligkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, sind diese fehlenden Funktionen ein echter Hemmschuh für zukünftiges Geschäft.

Kontakt:
Dr. Michael Siemer
Westend Medien GmbH
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